Mein erstes Studio war die Straße

Als ich Anfang zwanzig war und meine Fotografenlehre abgeschlossen hatte, war ich heiß darauf, interessante Menschen vor die Kamera zu bekommen und mir eine schöne Mappe aufzubauen.

Ich wohnte auf 28 m² im wundervollen Barmbek-Süd (Hamburg) und hatte niemals Geld übrig.

Also begann ich zu improvisieren. Ein bei mir sehr beliebtes "Studio-Setup" war die Innenhofdurchfahrt des Hauses, in dem ich wohnte. Dabei handelte es sich im Grunde um einen Tunnel, 6 Meter lang, 3 Meter breit und auch ca. 3 Meter hoch.

Licht wie im Fotostudio

So ein Tunnel, wie ich ihn nenne, hat neben der Tatsache, dass man auch bei Regen trocken bleibt, einiges zu bieten, nämlich das Licht, das sich je nachdem, wo man sich im Tunnel befindet, verschieden formen lässt.

Gehen wir mal davon aus, dass wir einen dick bewölkten Himmel haben und das Licht überhaupt keine Richtung hat, in dieser Situation gibt der Tunnel dem Licht wieder eine Richtung und umso weiter wir hineingehen, umso gerichteter wird es.

Haben wir volle Sonne, vielleicht sogar in der Mittagszeit (jeder, der in diesem Licht schon einmal Menschen fotografiert hat, weiß, dass das zu nichts führt, außer Frust), so gibt uns der Tunnel die Möglichkeit, dieser zu entkommen, so können wir sozusagen im Schatten fotografieren, aber durch das indirekte Licht, also die Reflexionen der gesamten Umwelt, haben wir trotzdem noch immer eine Lichtrichtung.

Übrigens, je dunkler die Tunnelwände sind, umso akzentuierter wird das Licht. Ein Effekt, den wir Fotografen gerne auch im Studio konstruieren, um ein charakteristisches Licht zu erzeugen. Dafür nutzen wir in der Regel schwarze Stoffe rechts und links von unserem Model.

Also, wenn ihr mal wieder Fotos von euch für euer LinkedIn-Profil braucht, gerade kein Profi zur Stelle ist und die herbstliche Wolkendecke kein schönes Licht hergibt, macht euch doch mal auf die Suche nach so einer Tordurchfahrt.

Daniel Reinhold

Ich bin Daniel

Zurück
Zurück

Eine Arbeitgebermarke aufzubauen, wird nie wieder so einfach sein.

Weiter
Weiter

Stockbilder! Ist euch denn nichts heilig?